Force Feedback: Wie viel Newtonmeter braucht man als Simracer wirklich?

Force Feedback: Wie viel Newtonmeter braucht man als Simracer wirklich?

Kaum ein Thema wird unter Simracern so kontrovers diskutiert wie Force Feedback: Braucht man wirklich 20 Newtonmeter, um schnell zu sein? Ist Clipping eine Todsünde? Welchen Einfluss hat das Lenkrad? Dieser Artikel soll diese und weitere Fragen beantworten und mit einigen Mythen rund um das Thema FFB aufräumen.

Was ist Force Feedback und welche Systeme gibt es?

Sucht man nach der Definition von Force Feedback, so findet man schnell folgende Beschreibung: Der Begriff Force Feedback bzw. Kraftrückkopplung bezeichnet eine in Eingabegeräten eingesetzte Rückmeldung von Kraft an den Nutzer. Übertragen auf das Simracing ist Force Feedback also im Prinzip nichts anderes als die Möglichkeit, das Fahrzeugverhalten über eine Kraftübertragung möglichst detailgetreu und weitestgehend realitätsnah abzubilden. Dabei wird grundsätzlich zwischen drei verschiedenen Techniken unterschieden:

  • Zahnradantrieb: Die klassische Art, Force Feedback auf die Lenkachse zu übertragen, war jahrelang die Verwendung von Zahnrädern. Die Folge sind neben lauten Betriebsgeräuschen ein recht detailarmes Force-Feedback sowie die teilweise im Lenkrad deutlich spürbaren Zahnräder selbst.
  • Riemenantrieb: Etwas besser funktioniert die Kraftübertragung mit sogenannten Riemenantrieben, wie sie zum Beispiel in den Einsteiger Wheel Bases von Thrustmaster verwendet werden. Diese Art der Kraftübertragung ist deutlich leiser und auch die FFB ist im Gegensatz zur Verwendung von Zahnrädern deutlich feiner.
  • Direct Drive: Der nächste Schritt nach den Riemenantrieben sind Direct Drive Wheel Bases, bei denen das Lenkrad (meist über QR-Systeme) direkt auf der Motorachse sitzt und die Motorkraft ohne Umlenkung direkt als Force Feedback genutzt werden kann. Die Kraftübertragung ist hier noch einmal deutlich direkter (der Name lässt es schon vermuten) und präziser. Derzeit sind Systeme mit einer Kraft zwischen 4 und 35 Newtonmetern für Endkunden verfügbar.

Dieser Artikel bezieht sich fast ausschließlich auf Direct-Drive-Systeme, die spätestens seit der Veröffentlichung des CSL-Bundles von Fanatec erfolgreich den Sprung in den Massenmarkt geschafft haben.

Wichtige Begriffe rund um das Thema Force Feedback (FFB)

  • Peak Torque und Holding Torque: Drehmoment, das durch den Elektromotor in der Base erzeugt wird, um das Kraftgefühl zu simulieren. Dabei wird unterschieden zwischen Peak Torque (maximal erreichbares Drehmoment für sehr kurze Spitzen) und Holding Torque (maximal erreichbares Drehmoment über einen längeren Zeitraum, z. B. in langgezogenen Kurven).
  • Slew Rate: Analog zum maximalen Drehmoment gibt die Slew Rate an, wie schnell das Drehmoment aufgebaut werden kann. Sie wird meistens in Nm/ms (Newtonmeter pro Millisekunde) angegeben, wobei nicht alle Hersteller die Slew Rate der Wheel Base veröffentlichen.
  • Oszillation: Simracer verstehen unter Oszillation in der Regel ein Lenkrad, das sich aufgrund des Force-Feedbacks um die Mittellage aufschaukelt.
  • Deadzone: Die Totzone ist der Bereich um die Mittellage des Lenkrads, in dem kein aktives Force-Feedback ausgegeben wird.
  • Clipping: Clipping ist das Abschneiden von Force-Feedback-Spitzen, die (kraftmäßig) nicht mehr durch die Wheel Base dargestellt werden können, wodurch Peaks und damit Details im FFB verloren gehen.

Wie viel Force Feedback braucht man um schnell zu sein?

Die wohl am häufigsten gestellten Fragen zum Thema Force Feedback drehen sich natürlich um das Thema Pace. Dabei geht es vor allem darum, wie viel Newtonmeter man wirklich braucht, um wirklich schnell zu sein bzw. möglichst konstant zu fahren.

Lenkradwahl

Um das Thema Force Feedback auf einen Nenner zu bringen, muss man sich über einen Aspekt im Klaren sein. Zum einen sind die Herstellerangaben nicht herstellerübergreifend genormt und dementsprechend gibt es teilweise recht deutliche Unterschiede. So geben einige Hersteller den Peak Torque an, während andere vom Holding Torque sprechen.

Darüber hinaus kann auch das verwendete Lenkrad einen großen Unterschied ausmachen. Vereinfacht gesagt: Je größer der Durchmesser und das Gewicht des Lenkrads, desto weniger Force-Feedback kommt beim Fahrer an. So kann eine CSL-DD mit acht Newtonmetern in Kombination mit einem leichten und kleinen (270 Millimeter) F1-Lenkrad ein ähnlich “starkes” FFB erzeugen wie eine deutlich stärker eingestellte Base mit einem 350 Millimeter großen und deutlich schwereren Lenkrad. Vergleiche sind also immer mit Vorsicht zu genießen, ebenso wie die Angaben anderer Simracer, die von ihren Heldentaten mit 25 Newtonmeter Einstellung berichten ;).

Pace

(Hohes) Force Feedback allein macht nicht schnell. Wahrscheinlich kennt jeder von uns einen Simracer, der mit steinalter Hardware Leuten mit High-End-DD um die Ohren fährt… Entscheidend ist vor allem die Erfahrung und das Gefühl für das Auto in jeder Situation. Und genau hier kann ein hohes Force Feedback dann durchaus hilfreich sein. Verursacht beispielsweise ein langsam ausbrechendes Auto ein um 10 Prozent höheres Drehmoment am Lenkrad, ist der Unterschied prozentual zwar genau gleich, absolut ist er bei stärker eingestelltem Force Feedback jedoch deutlich höher. So kann man im Zweifelsfall das Fahrverhalten des Autos deutlich früher bzw. zuverlässiger korrigieren und das eine oder andere Zehntel herausholen.

Demgegenüber steht aber auch ein zu hoch eingestelltes Force Feedback. Hier werden zum Beispiel die Curbs zu einem echten Problem und man ertappt sich früher oder später gerne dabei, wie man diese absichtlich auslässt, um sich nicht den hohen Kräften der Base auszusetzen. Auch ein einmal außer Kontrolle geratenes Auto ist je nach Einstellung der Base deutlich schwerer abzufangen.

Kleine Randnotiz: Theoretisch ist man mit minimalem Force Feedback am schnellsten, da man so am einfachsten durch extrem schnelle Lenkbewegungen die theoretisch beste Runde reproduzieren kann. In der Praxis kommen dann natürlich andere Faktoren ins Spiel (Streckenbedingungen, Reifen, etc.), die dann doch wieder mehr Force Feedback erfordern, um hier Veränderungen zuverlässig spüren zu können.

Konstanz

Neben der reinen Pace ist natürlich auch die Konstanz über den gesamten Stint ein wichtiger Faktor in Bezug auf die Höhe des eingestellten Force Feedbacks. Hier kann vor allem ein sehr niedrig eingestelltes Force Feedback zum Problem werden. Denn um die gleiche Runde möglichst zuverlässig reproduzieren zu können, ist es notwendig, das Auto und sein Fahrverhalten immer genau spüren zu können. Auch wenn ein niedriges Force Feedback über eine Runde durchaus kompensiert werden kann, helfen hier höhere Werte enorm um konstante Rundenzeiten zu gewährleisten.

Für den (nicht zu 100% wissenschaftlichen) Testaufbau in Assetto Corsa Competizione wurden pro FFB-Einstellung jeweils drei Stints à zehn Runden gefahren, wobei pro Stint die jeweils beste und schlechteste Runde gestrichen wurde. Anschließend wurde der Durchschnitt aller Rundenzeiten ermittelt. Erwartungsgemäß war die Einstellung mit zwölf Newtonmetern (mit einem 300 Millimeter großen und inklusive QR rund 1,7 Kilo schweren Artura-Sport Lenkrad von Ascher Racing auf einer Asetek Forte Wheel Base) am konstantesten. Dies dürfte vor allem auf den Faktor Gewöhnung zurückzuführen sein, da Kräfte um diesen Wert auch der normalerweise verwendeten Einstellung entsprechen. Mit etwas Abstand folgen dann die Stints mit acht bzw. 16 Newtonmeter Einstellung, die nur unwesentlich schlechtere Durchschnittszeiten erzielen konnten, wobei 16 Newtonmeter teilweise etwas zu viel des Guten waren. Hier rückt dann der Kampf mit dem FFB an sich in den Vordergrund und nicht mehr der Kampf mit den äußeren Bedingungen bzw. dem Auto an sich.

Vor allem in Bezug auf die durchschnittliche Rundenzeit fiel die niedrigste Einstellung mit vier Newtonmetern im Test hingegen noch einmal deutlich ab. Rund drei Zehntel Rückstand im Schnitt machen sich in engen Fahrerfeldern durchaus bemerkbar und es bleibt fraglich, ob dies durch eine Gewöhnung an das niedrige Force-Feedback vollständig kompensiert werden kann. Auffällig war auch der im Vergleich zu höheren Force-Feedback-Einstellungen leicht erhöhte Reifenverschleiß. Ein ausbrechendes Auto wird im Zweifelsfall einfach deutlich später bemerkt und die Reifen das eine oder andere Mal überfahren.

Anmerkung: Die erzielten Ergebnisse sind nicht allgemeingültig und sicherlich auch stark von den normalerweise gefahrenen und damit gewohnten Einstellungen abhängig.

4 Nm8 Nm12 Nm16 Nm
Average1.46:7611.46:5181.46:4501.46:584
Best1.46:2101.46:0241.46:0811.46:119
Worst1.47:0011.46:9151.46:8151.46:895

Das leidige Thema Clipping – Wie stellt man sein Force Feedback korrekt ein?

Wie bereits im Abschnitt Wichtige Begriffe rund um das Thema Force Feedback erwähnt, ist das Thema Clipping beim Simracing nicht zu vernachlässigen. Schafft es die Base nicht mehr, das Force Feedback darzustellen, gehen wichtige Informationen verloren und es kommt zum berüchtigten Clipping.

Man sollte also seine Base so einstellen, dass man zumindest für einen Großteil der Strecke nicht ins Clipping gerät. Fährt man aber z.B. mit einer relativ schwachen DD-Base an der oberen Grenze des maximalen Force-Feedbacks, kann man diese Faustregel etwas aufweichen. Auf Strecken wie Spa wird man in bestimmten Kurven (Eau-Rouge / Raidillon, Blanchimont) unweigerlich ins Clipping kommen. Man sollte dann aber auf keinen Fall das Force Feedback so weit reduzieren, dass man komplett aus dem Clipping-Bereich herauskommt. Denn dadurch wird der verbleibende FFB-Spielraum für die restlichen Kurven zu klein, hier verschenkt man dann zu viel des vorhandenen Force-Feedback-Bereichs.

Es gibt noch einen weiteren wichtigen Aspekt. Das Force Feedback kann in der Regel sowohl über die Base als auch über die Simulation reduziert werden. Möchte man z.B. sein Force Feedback auf “50%” einstellen, so kann man dies über verschiedene Wege tun:

  • Base: 50% | In-Game: 100%. Mit dieser Einstellung wird das gesamte Force Feedback der Base um 50% reduziert. Dadurch wird das Force Feedback auch hart auf 50% begrenzt, eine Base mit 20 Newtonmeter maximalem Drehmoment wird somit effektiv zu einer Base mit zehn Newtonmetern. Diese Einstellung empfiehlt sich z.B. aus Sicherheitsgründen oder für Simulationen im Beta-Status, bei denen unkontrollierte FFB-Ausgaben auftreten. Bei vielen Simulationen (z.B. Assetto Corsa Competizione) kommt man mit dieser Einstellung aber definitiv in einen kritischen Clipping-Bereich.
  • Base: 100% | In-Game: 50%. Hier wird das Force-Feedback auf der Spielseite reduziert. Hohe Spitzen, z.B. durch Unfälle, sind weiterhin möglich und können theoretisch das volle Drehmoment der Base ausnutzen. Das typische Force Feedback wird auf 50% des Norm-Wertes gesenkt.
  • Base: 70% | In-Game: 70%. Diese Einstellung macht aus einer Base mit 20 Newtonmeter softwareseitig eine Wheel Base mit maximal 14 Newtonmeter Drehmoment. Zusätzlich wird durch die Einstellung im Spiel das typische Force Feedback nochmals um den Faktor 0,7 reduziert. Damit werden sowohl die maximal möglichen Spitzen als auch das generelle Force Feedback reduziert.

In der Praxis sollte man sich zunächst darüber im Klaren sein, welche Kraft die Base auf keinen Fall überschreiten darf. Eine Simucube 2 Ultimate Base hat beispielsweise ein maximales Drehmoment von 32, was zu durchaus schweren Verletzungen führen kann. Für die meisten Anwendungsfälle kann man also die Base im Treiber etwas herunterregeln, ohne den tatsächlich genutzten FFB-Bereich zu sehr einzuschränken. Anders sieht es dagegen bei einer DD unter zehn Newtonmeter aus. Hier ist es nur in absoluten Ausnahmefällen (z.B. Kinder) notwendig und sinnvoll, das maximale Force Feedback bereits im Treiber zu reduzieren.

Welchen Unterschied macht die Software?

Ein weiterer wichtiger Aspekt beim Thema Force Feedback ist neben der Hardware selbst natürlich auch die verwendete Software (Treiber) der verschiedenen Hersteller. Hier gibt es teilweise gravierende Unterschiede in der Umsetzung des Force Feedbacks und auch in den zur Verfügung stehenden Parametern, mit denen man das Force Feedback personalisieren kann. Einige der wichtigsten Einstellmöglichkeiten, die bei fast allen Herstellern gleich benannt sind, betreffen folgende Punkte:

  • Steering Range: Der maximal mögliche Lenkwinkel. Hier reicht es in der Regel aus, den maximalen Lenkwinkel in der Simulation und im Treiber auf den gleichen maximal verwendeten Wert zu setzen (z.B. 900 oder 1080 Grad). Den Rest regelt dann in den meisten Fällen die Simulation.
  • Inertia: Höhere Werte geben dem Lenkrad ein künstliches Gewicht, was z.B. bei sehr leichten und kleinen Lenkrädern zu einem höheren Grad an Realismus führen kann. Diese Einstellung wirkt sich besonders bei schnellen Lenkbewegungen aus und kann bei sehr niedrigen FFB-Einstellungen sinnvoll sein.
  • Friction: Hierbei wird dem Lenkrad eine künstliche Reibung hinzugefügt, die den Lenkbewegungen mit einer konstanten Kraft entgegenwirkt. Das Lenkrad erhält dadurch mehr “Gewicht”.
  • Damping: Die Dämpfung ist in den meisten Softwareimplementierungen ein Drehmomenteffekt, der insbesondere sehr schnellen Änderungen des FFB entgegenwirkt und diese dämpft (daher der Name). Je nach Simulation können sehr niedrige Werte zu Oszillationen führen, während hohe Werte zu Detailverlusten am Force Feedback führen können.

Bei den Settings sollte man sich am besten selbst ausprobieren und ausgehend von Basisprofilen (manche Hersteller geben diese vor, bei anderen lohnt sich ein kurzer Blick in die einschlägigen Simulationsforen) die einzelnen Parameter an die eigenen Bedürfnisse anpassen. In der Regel empfiehlt es sich, jeweils nur einzelne Werte zu verändern und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Force-Feedback bestmöglich abzuschätzen. In der Regel sollten z.B. die Werte für Damping, Inertia und Friction nicht zu hoch gewählt werden, aber auch hier gilt: Stell ein, was dir gefällt.

Simracing vs. Realität

Ein weiterer interessanter Aspekt beim Thema Force Feedback ist die Frage nach dem Grad der Realitätsnähe. Während man in einem echten Rennwagen noch einige andere Faktoren hat, die das Fahrverhalten spürbar machen, bleiben uns Simracern meist nur die Kräfte am Lenkrad. Ob diese immer zu 100% realistisch wiedergegeben werden und wo die Grenzen des Machbaren liegen, ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Hier zwei interessante Quellen zur weiteren Recherche:

  • Comparing and improving steering forces in a race car and race simulator to increase simulator fidelity (Master Thesis by R. Advocaat): Link
  • Talk & Drive 12: Calculating steering loads from tire data and telemetry (Video by Niels Heusinkveld): Link

Umfrage: Wie viel FFB nutzt ihr?

Wheel Base Nm

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